Bundesverfassungsgericht

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Verhandlungen des Ersten Senats am 6. und 7. November 2001

Pressemitteilung Nr. 97/2001 vom 15. Oktober 2001

Auch in diesem Jahr wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts an zwei "Tagen der offenen Tür" insgesamt drei mündliche Verhandlungen durchführen. Hierdurch soll einem größeren Teil der Bevölkerung die Gelegenheit gegeben werden, an einer mündlichen Verhandlung über Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht als Besucher teilzunehmen und sich einen eigenen Eindruck von diesen Verfahren zu verschaffen. Im Einzelnen werden am

D i e n s t a g, dem 6. und M i t t w o c h, dem 7. November 2001
im Sitzungssaal des BVerfG, Schloßbezirk 3, Karlsruhe

folgende Verfahren verhandelt:

1. Dienstag, den 6. November, 9.30 Uhr: Doppelname für Kinder (1 BvL 23/96)

In diesem Verfahren geht es um die Frage, ob Kinder einen Doppelnamen tragen können, wenn ihre gemeinsam sorgeberechtigten Eltern keinen gemeinsamen Nachnamen führen. Der heutige § 1617 BGB schreibt in solchen Fällen vor, dass die Eltern entweder den Namen der Mutter oder jenen des Vaters als Nachnamen des Kindes bestimmen. Geben die Eltern keine gemeinsame Erklärung hierzu ab, überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht auf einen Elternteil. Erklärt sich auch dieser nicht, erhält das Kind den Namen dieses Elternteils.

Im Ausgangsfall hatten die Eltern, Frau S. und Herr B., keine entsprechende Bestimmung für ihren Sohn Maximilian getroffen. Sie wünschten übereinstimmend, das Kind möge einen aus beiden Namen zusammengesetzten Doppelnamen tragen.

Das zuständige Familiengericht hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob der heutige § 1617 BGB, der die Möglichkeit eines Doppelnamens nicht vorsieht, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes und dem Elternrecht vereinbar ist. Nach Auffassung des Familiengerichts folgt aus den genannten Grundrechten ein Anspruch des Kindes, durch einen Doppelnamen die Verbundenheit zu beiden Eltern deutlich machen zu können. Ebenso müsse den Eltern die Möglichkeit gegeben werden, die Verwandtschaft ihres Kindes zu beiden Elternteilen mit Hilfe des Namens zu dokumentieren.

2. Dienstag, den 6. November 2001, 11.30 Uhr: Schächten (1 BvR 1783/99)

§ 4 a Tierschutzgesetz verbietet das Schlachten warmblütiger Tiere ohne vorherige Betäubung (Schächten). Eine Ausnahmegenehmigung darf erteilt werden, wenn es "erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen."

Der Beschwerdeführer (Bf), ein muslimischer Metzger, möchte eine derartige Ausnahmegenehmigung erteilt bekommen. Von 1988 bis 1994 hatte er eine solche erhalten, anschließend jedoch nicht mehr. Nach Meinung der Verwaltungsgerichte schreibt der Islam - auch dessen sunnitischer Zweig - den Gläubigen nicht zwingend vor, nur geschächtetes Fleisch zu essen. Es komme auf die Religionsgemeinschaft insgesamt an, nicht auf einzelne, womöglich strengere Glaubensrichtungen, denen der Bf und seine Kunden angehören. Das Schächten sei hier auch nicht Religionsausübung, sondern Berufsausübung.

Der Bf sieht sich in seiner Religionsfreiheit und in einer Reihe anderer Grundrechte durch diese Entscheidungen verletzt. Gründe des Tierschutzes verlangten das Schächtverbot nicht; denn sachgerecht durchgeführtes Schächten sei für das Tier nicht quälender als die erlaubten Schlachtmethoden.

3. Mittwoch, den 7. November 2001, 9.30 Uhr: Sonntagsöffnung für Apotheken (1 BvR 1236/99)

Dieser Verfassungsbeschwerde einer Apothekerin aus Süddeutschland liegt eine berufsgerichtliche Geldbuße zu Grunde. Die Apothekerin hatte an einem verkaufsoffenen Sonntag in ihrer Stadt auch ihre Apotheke geöffnet, obwohl das Ladenschlussgesetz dies nicht zulässt. Die ausnahmsweise erlaubte Öffnung von Geschäften an jährlich höchstens vier Sonntagen gilt für Apotheken ausdrücklich nicht.

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch diese Vorschrift und die darauf basierenden Geldbuße in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit und auf Gleichbehandlung verletzt. Es gäbe keinen rechtfertigenden Grund dafür, Apotheken die Beteiligung an verkaufsoffenen Feiertagen zu verweigern. Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an den Verhandlungen teilnehmen möchten, werden gebeten, sich schriftlich für den Dienstag oder Mittwoch anzumelden (Postfach 1771, 76006 Karlsruhe, z. Hd.: Herrn Kambeitz; Fax: 0721/9101-461). Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon - oder Faxnummer für Rückfragen anzugeben.

Karlsruhe, den 15. Oktober 2001