Bundesverfassungsgericht

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Neuregelung der Gefangenenentlohnung verfassungskonform

Pressemitteilung Nr. 48/2002 vom 23. April 2002

Beschluss vom 24. März 2002
2 BvR 2175/01

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der die Verfassungswidrigkeit der neugeregelten Gefangenenentlohnung geltend gemacht worden war.

In einer Senatsentscheidung aus dem Jahr 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltenden Vorschriften zur Gefangenenentlohnung, die einen Mindestlohn auf 5 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße festlegten, nicht mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Resozialisierung zu vereinbaren seien. Der Gesetzgeber sah daraufhin in einer Neuregelung u. a. die Anhebung von 5 Prozent auf 9 Prozent der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße in Kombination mit der Möglichkeit, durch Arbeit die Haftzeit zu verkürzen oder sonstige Hafterleichterungen zu erreichen, vor. Diese Neuregelung war in der Folgezeit Gegenstand zahlreicher Verfassungsbeschwerden. Ihre Verfassungsmäßigkeit hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nunmehr auf der Grundlage der Maßstäbe, die in der Senatsentscheidung aus dem Jahr 1998 entwickelt worden waren, festgestellt.

Die Kammer weist darauf hin, dass die Entscheidungen des Gesetzgebers, auf welche Art und in welchem Umfang die Pflichtarbeit von Gefangenen entlohnt wird, vom Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt überprüft werden können. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, darüber zu entscheiden, ob aus vollzugspolitischer Sicht eine Erhöhung des Arbeitsentgelts geboten ist. Dem Gesetzgeber steht für die Entwicklung eines wirksamen Konzepts bei der Ausgestaltung der Gefangenenentlohnung ein weiter verfassungsrechtlicher Gestaltungsspielraum zu. Dieser wird durch die weiter verschlechterte Produktivität von Gefangenenarbeit, die mit der allgemeinen, von hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung gekennzeichneten wirtschaftlichen Lage am Arbeitsmarkt einhergeht, eingeschränkt. Droht bei weiter abnehmender Produktivität durch ein Ungleichgewicht von Lohnkosten und Ertrag die Schließung von Anstaltsbetrieben, liefe dies dem Resozialisierungskonzept durch Arbeit gerade zuwider.

Die Höhe des Arbeitsentgelts ist von Verfassungs wegen erst dann zu beanstanden, wenn es zusammen mit den anderen Vorteilen, die für die Gefangenenarbeit gewährt werden, offensichtlich nicht geeignet ist, den Gefangenen im gebotenen Mindestmaß davon zu überzeugen, dass die Erwerbstätigkeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist. Ausgehend von diesem Maßstab entspricht die Neuregelung noch dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot. Der Gesetzgeber hat die äußerste Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Bezugsgröße noch gewahrt.

Wie die Kammer weiter ausführt, kommt neben der Gefangenenentlohnung vor allem den Regelungen über die Freistellung in Abhängigkeit zur geleisteten Arbeit besondere Bedeutung zu. Die Aussicht, vorzeitig die Freiheit zu erlangen, hat für einen Gefangenen einen derart hohen Stellenwert, dass sie als Mittel der Entlohnung geeignet ist, das Resozialisierungsgebot umzusetzen. Im Hinblick auf die Bezugsgröße der finanziellen Entlohnung und den Umfang der zur gewährenden Freistellung bleibt der Gesetzgeber aber aufgefordert, diese nicht festzuschreiben, sondern einer steten Prüfung zu unterziehen.

Karlsruhe, den 23. April 2002