Bundesverfassungsgericht

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Zum Vertrauensschutz bei der Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz

Pressemitteilung Nr. 72/2002 vom 6. August 2002

Beschluss vom 17. Juni 2002
1 BvR 1594/99

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats seine Rechtsprechung bestätigt, wonach der Gesetzgeber ein bestehendes Förderkonzept zum Nachteil der Studierenden ändern kann, wenn dies durch gewichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist.g

Der Entscheidung liegt die Verfassungsbeschwerde (Vb) einer Studierenden (Bf) zugrunde, die beanstandete, dass ihr im Rahmen der zwölfmonatigen Studienabschlussförderung Ausbildungsförderung ausschließlich als verzinsliches Darlehen gewährt wurde. Im Verwaltungsrechtsweg hatte sie vergeblich versucht, Ausbildungsförderung auch weiterhin je zur Hälfte als Zuschuss und als unverzinsliches Darlehen zu erhalten. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz sieht eine sogenannte Studienabschlussförderung vor. Danach wird Auszubildenden an Hochschulen unter bestimmten Voraussetzungen für höchstens zwölf Monate Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet. Ausbildungsförderung wird grundsätzlich jeweils zur Hälfte als Zuschuss und als Darlehen geleistet, während nach dem Achtzehnten Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18.BAFöGÄndG) für den Fall des Überschreitens der Förderungshöchstdauer Ausbildungsförderung in Form eines verzinslichen Bankdarlehens geleistet wird. Der Beschwerdeführerin (Bf), die für ihr im Sommersemester 1992 an einer Universität aufgenommenes Studium Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz je zur Hälfte als Zuschuss und als unverzinsliches Darlehen erhalten hatte, wurde für den Bewilligungszeitraum von Oktober 1996 bis September 1997 nach Inkrafttreten des hierfür maßgeblichen 18.BAFöGÄndG Ausbildungsförderung als Studienabschlussförderung in Form eines verzinslichen Bankdarlehens gewährt. Die Bf sah darin insbesondere eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Gewährung von Studienabschlussförderung ausschließlich als verzinsliches Bankdarlehen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Hinreichend gewichtige Gründe des Gemeinwohls wie die angestrebte Verteilungsgerechtigkeit in der Studienfinanzierung rechtfertigen die Änderung des Förderkonzepts. Das Vertrauensschutzprinzip ist durch die Umschichtung staatlicher Mittel zugunsten der Förderung innerhalb der Regelstudienzeit nicht verletzt worden. Das Interesse der Bf an einer Beibehaltung der bisherigen Form der Ausbildungsförderung zur Hälfte durch Zuschuss und unverzinsliches staatliches Darlehen über den Ablauf der Förderungshöchstdauer hinaus tritt hinter dem öffentlichen Interesse zurück, das den Gesetzgeber zu einem sofortigen Wechsel der Förderungsart veranlasste. Ausbildungsförderung nach Ablauf der Förderungshöchstdauer ist als eine Art "Zusatzleistung" von vornherein eher gesetzlichen Einschränkungen unterworfen als die Förderung innerhalb der Förderungshöchstdauer. Es wird allenfalls ein Vertrauen darauf geschützt, dass Studierenden eine Ausbildungsförderung verbleibt, die eine Beendigung des Studiums ohne wesentliche Verringerung des monatlich verfügbaren Geldbetrags ermöglicht. Das Förderungsniveau wurde nicht gesenkt, deshalb hat die gesetzliche Neuregelung die Lage der Bf nicht unmittelbar verschlechtert. Ein darüber hinausgehendes Vertrauen auf eine bestimmte Förderungsart oder eine bestimmte rechtliche Ausgestaltung dieser Förderungsart genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz.

Karlsruhe, den 6. August 2002