Bundesverfassungsgericht

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Keine Beschwerdebefugnis einer Gemeinde bei Geltendmachung eines Rückübertragungsanspruchs von Militärliegenschaften gegen den Bund

Pressemitteilung Nr. 73/2002 vom 7. August 2002

Beschluss vom 23. Juli 2002
2 BvR 403/02

Die dritte Kammer des Zweiten Senats hat mit Beschluss vom 23. Juli 2002 entschieden, dass eine Gemeinde sich auch dann nicht auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen kann, wenn sie ihren unmittelbar verfassungsrechtlich verankerten Anspruch gegen den Bund auf Rückübertragung ehemaliger Militärliegenschaften geltend macht.

1. Der Entscheidung liegt die Verfassungsbeschwerde einer bayerischen Gemeinde (Bf) zugrunde. Diese hatte in den dreißiger Jahren zwecks Errichtung einer Garnison erhebliche Grundflächen unentgeltlich an das Deutsche Reich abgetreten. Von 1945 bis 1992 waren auf den Grundstücken US-Streitkräfte stationiert. Heute werden die Grundstücke nicht mehr militärisch genutzt.

Nach dem Truppenabzug begehrte die Bf von der Bundesrepublik Deutschland die Herausgabe und Übereignung der Liegenschaften. Dabei berief sie sich auf Art. 134 Abs. 3 GG. Danach wird Vermögen, das dem Reich von Ländern und Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden, soweit es nicht der Bund für eigene Verwaltungsaufgaben benötigt. Nachdem die Klage vor den Verwaltungsgerichten keinen Erfolg hatte, erhob die Bf Verfassungsbeschwerde. Sie machte eine Verletzung ihres grundrechtlich durch die Eigentumsgarantie geschützten Rechtsanspruchs aus Art. 134 Abs. 3 GG geltend.

2. Die Kammer hat die Vb wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Unabhängig davon, ob der Rückfallanspruch aus Art. 134 Abs. 3 GG überhaupt unter den Begriff des Eigentums fällt, kann sich die Bf nicht auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht einer Gemeinde das Eigentumsgrundrecht auch außerhalb der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben regelmäßig nicht zu, da sich eine Gemeinde auch bei nicht-hoheitlicher Tätigkeit in keiner grundrechtstypischen Gefährdungslage befindet. Das Eigentum hat in der Hand einer Gemeinde nicht dieselbe Funktion wie in der Hand des Privaten, nämlich dem Eigentümer als Grundlage eigenverantwortlicher Initiative von Nutzen zu sein. Art. 14 GG als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater. Die Kammer sieht vorliegend keinen Anlass, eine Ausnahme von diesem Grundsatz anzuerkennen.

Anderes folgt auch nicht aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Rückfallrechts. Die Vorschrift des Art. 134 GG regelt die Vermögenszuordnung nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs am 8. Mai 1945. Zugrunde liegt ihr das Verteilungsprinzip der Funktionsnachfolge. Danach sollen die Vermögensgegenstände aus dem ehemaligen Reichsvermögen denjenigen Verwaltungsträgern zugeordnet werden, die sie zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben benötigen. Unter diesem Aspekt stellt der Streit über den Bestand des Rückfallrechts einen Kompetenzkonflikt zwischen Hoheitsträgern dar, der nicht im Wege der Individualverfassungsbeschwerde geklärt werden kann. Vielmehr sind für derartige Streitigkeiten spezielle verfassungsgerichtliche Verfahren vorgesehen. Einen derartigen Rechtsbehelf normiert Art. 134 GG aber nicht. Daher widerspräche eine Rechtswegeröffnung über diese Vorschrift dem Enumerationsprinzip des Grundgesetzes.

Beschluss vom 23. Juli 2002 Az. - 2 BvR 403/02 -

Karlsruhe, den 7. August 2002