Zum Sonderlandeplatz Hamburg-Finkenwerder

Dokumenttyp: Pressemitteilung , Nr. 102/2002 , Datum:

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Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) mehrerer beschwerdeführender Eigentümer (Bf), deren Grundstücke in der An- und Abflugschneise des Flugplatzes Hamburg-Finkenwerder liegen, mit Beschluss vom 11.November 2002 nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In Hamburg-Finkenwerder besteht ein Flugzeugwerk der Deutschen Aerospace Airbus GmbH. Für Flugzeuge der europäischen Airbus-Produktion werden dort Großbauteile hergestellt sowie die Innenausstattung und Endausrüstung ausgeführt. Seit 1992 findet hier auch die Endmontage von Flugzeugen des Typs Airbus A 321 und seit 1996 des Typs Airbus A 319 statt. Zu dem Werk gehört ein Flugplatz für den Werkflugbetrieb.

Auf Antrag des Unternehmens stellte die Freie und Hansestadt Hamburg im März 1993 den Plan für die Änderung des Sonderlandeplatzes Hamburg-Finkenwerder zur Anpassung der Flugbetriebsflächen (Verlängerung der Start- und Landebahn um 393 Meter, Änderung der Rollwege und Abstellflächen) an die geänderte Produktion fest. Nach den Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses wird der Betrieb des Sonderlandeplatzes eingeschränkt. Durch den Werkflugbetrieb darf ein Dauerschallpegel von 55 dB (A) außerhalb eines näher bestimmten Gebietes grundsätzlich nicht überschritten werden. Seit Mai 1993 ist die Verlängerung der Start- und Landebahn fertiggestellt.

Die Grundstücke der Bf sind zum Teil als besonders geschütztes Wohngebiet ausgewiesen, teilweise liegen sie im Außengebiet. Vor dem Verwaltungsgericht klagten die Bf vergeblich auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, hilfsweise auf planergänzende Maßnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit und ihres Eigentums. Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Vb rügen sie die Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts.

Zur Begründung heißt es in der Entscheidung der Kammer:

Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb zur Entscheidung liegen nicht vor. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch hat sie Aussicht auf Erfolg.

Die Vb ist unzulässig, soweit die Bf geltend machen, der Ausschluss privatrechtlicher Abwehransprüche sei im Falle so genannter privatnütziger Planfeststellungen mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar. Mit dieser Rüge könnte sich das Bundesverfassungsgericht zulässigerweise erst nach erfolgloser Ausschöpfung des dafür gegebenen Zivilrechtsweges befassen. Weder der Planfeststellungsbeschluss noch die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen haben über diese privatrechtlichen Abwehransprüche unmittelbar entschieden.

Die Bf rügen weiter die Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts, weil die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen die Beeinträchtigungen ihrer Grundstücke, die dem planfestgestellten Flugplatz zurechenbar sind, für gerechtfertigt halten. Auch insoweit bleibt die Vb erfolglos.

Die Zulassung dieser Beeinträchtigungen führt nicht zu einer Enteignung. Dennoch berührt der Planfeststellungsbeschluss die Belange der von den Immissionen betroffenen Grundstückseigentümer nachteilig. Für einen solchen Fall kollidierender Interessen muss der Gesetzgeber durch öffentlich-rechtliche wie durch bürgerlich-rechtliche Vorschriften einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit, aber auch zwischen den möglicherweise widerstreitenden Belangen verschiedener Privater herbeiführen. Dafür hat der Gesetzgeber im Luftverkehrsgesetz Vorsorge getroffen. Dessen Bestimmungen ermöglichen es der Planfeststellungsbehörde, einerseits dem Interesse des Unternehmers an dem angestrebten Betrieb des Flughafens Rechnung zu tragen, andererseits aber auch im Rahmen der gebotenen Abwägung die Belange der benachbarten Grundstückseigentümer zu berücksichtigen und sie vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen zu bewahren.

Dabei ist eine solche Planfeststellung zugunsten eines privatnützigen Flughafens weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der luftverkehrsgesetzlichen Vorschriften grundsätzlich ausgeschlossen. Dies gebietet auch nicht die Verfassung. Ein solcher Ausschluss würde insbesondere den ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Unternehmers nicht gerecht. Vielmehr ist im konkreten Fall ein Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden. Dient das Vorhaben im Rahmen der Ziele des Luftverkehrsgesetzes privaten Interessen des Unternehmers, so sind bei der notwendigen Abwägung gegenläufige Interessen Dritter jedenfalls dann überwindbar, wenn das Vorhaben grundrechtliche Positionen nicht beeinträchtigt. Soweit sich der privatnützige Flughafen auch positiv auf die Allgemeinheit auswirkt (Besserung der regionalen Infrastruktur, Schaffung von Arbeitsplätzen), können diese Wirkungen miteinbezogen werden, auch wenn ihr Eintritt nicht in jeder Hinsicht feststeht. Die insoweit von der Planfeststellungsbehörde bei der Planungsentscheidung zu treffende Prognose kann berücksichtigen, ob ergänzende staatliche Infrastrukturinvestitionen die Verwirklichung des Vorhabens in der Weise unterstützen, dass eine begründete Aussicht besteht, den angestrebten Zweck dauerhaft zu erreichen. Von Bedeutung kann auch sein, ob die belastenden Wirkungen für Dritte wieder entfallen, wenn sich später herausstellen sollte, dass der Zweck der Maßnahme nicht dauerhaft erreicht wird.

Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen entsprechen diesem Maßstab. Sie haben das Eigentumsgrundrecht der Bf hinreichend beachtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Erweiterung des Flugplatzes als privatnützig gewertet, ist aber auch von einer mittelbaren Förderung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung und Mehrung von Arbeitsplätzen sowie an der Belebung der Wirtschaft der Stadt Hamburg ausgegangen. Seine dazu im Einzelnen getroffenen Feststellungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Karlsruhe, den 28. November 2002