Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Informationen zur mündlichen Verhandlung zum Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeprivileg bei Abgeordneten

Pressemitteilung Nr. 109/2002 vom 11. Dezember 2002

Am 14. Januar 2003 wird der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Reichweite des Beschlagnahmeverbots aus Art. 47 Satz 2 GG und die Zulässigkeit von Durchsuchungen in den Räumen des Deutschen Bundestages verhandeln. Zugrunde liegen eine Verfassungsbeschwerde und ein gegen den Präsidenten des Deutschen Bundestages (AG) gerichtetes Organstreitverfahren. Beschwerdeführer (Bf) und Antragsteller (ASt) sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion im Parteispenden-Untersuchungsausschuss des 14. Deutschen Bundestages, der ASt zu 1 ist deren Obmann.

Beiden Verfahren liegt ein identischer Sachverhalt zugrunde:

Nach einem Zeitungsbericht vom Mai 2000 sollen hohe Stellen der Justiz des Freistaats Bayern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen Schlüsselfiguren der CDU-Spendenaffäre beeinflusst haben. Der Artikel berief sich auf Handakten der Staatsanwaltschaft, die dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages vorlägen. Es folgte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Geheimnisverrats, das sich schließlich auch gegen einen Regierungsdirektor bei der Bundestagsverwaltung richtete, der der Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion im Parteispenden-Untersuchungsausschuss und dem Antragsteller zu 1 als Mitarbeiter zugewiesen ist. Aufgrund des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses des Ermittlungsrichters wurden im Februar 2002 zeitgleich die Privatwohnung des Beschuldigten sowie sein Büro in den Räumen des Deutschen Bundestages durchsucht. Das Büro des Beschuldigten befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Büro des ASt zu 1 und dessen Sekretariat. Der AG hatte zuvor unter anderem seine Genehmigung zur Durchsuchung und Beschlagnahme in den Räumen des Deutschen Bundestages erteilt. Bei den Durchsuchungen wurden diverse Gegenstände und Schriftstücke sichergestellt. Der ASt zu 1 widersprach der Beschlagnahme aller Beweisstücke mit Bezug zu seiner Abgeordnetentätigkeit und zur Parteispenden-Untersuchungsausschusstätigkeit von dessen Arbeitsgruppenmitgliedern. Die Beweisstücke befinden sich seither in versiegelten Umschlägen im Gewahrsam der Bundestagspolizei. Dort sollen sie bis zum Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung verbleiben, ohne dass der AG darüber verfügen wird.

Alleiniger Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Landgerichts München I vom 16. Februar 2001, mit dem unter anderem die Beschlagnahme der in der Wohnung und im Büro des Beschuldigten sichergestellten Unterlagen und Gegenstände bestätigt wurde. Die Beschwerdeführer sehen sich in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 47 Satz 2 GG sowie ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verletzt. Durchsuchung und Beschlagnahme hätten in den unantastbaren Bereich des Abgeordnetengeheimnisses in verfassungswidriger Weise eingegriffen. Dies gelte auch in Bezug auf das Mitarbeiterbüro.

In dem Organstreitverfahren geht es darum, ob die Genehmigung der Durchsuchung und Beschlagnahme in den Räumen des Deutschen Bundestages durch den AG gegen Art. 40 Abs. 2 Satz 2 GG verstößt. Die ASt meinen, die vom AG erteilte Genehmigung, das im Bundestag gelegene Büro des beschuldigten Mitarbeiters zu durchsuchen und die dabei sichergestellten Beweismittel zu beschlagnahmen, verletze ihre Rechte aus Art. 47 Satz 2 GG. Der AG ist dem entgegengetreten.

- Az. 2 BvR 508/01 und 2 BvE 1/01 -

Karlsruhe, den 11. Dezember 2002