Bundesverfassungsgericht

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Erhebung einer Abgabe für die Entnahme von Grundwasser in Schleswig-Holstein

Pressemitteilung Nr. 3/2003 vom 21. Januar 2003

Beschluss vom 18. Dezember 2002
2 BvR 591/95

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) mehrerer Firmen, die sich unmittelbar gegen das am 1. April 1994 in Kraft getretene schleswig-holsteinische Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe (GruWAG) richtet, nicht zur Entscheidung angenommen. Das Verfahren betrifft die Frage, ob die Erhebung der Abgabe durch das Land mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführer (Bf), unter anderem Papier- und Arzneimittelhersteller, decken ihren Wasserbedarf zu betrieblichen Zwecken zum Teil aus eigenen Brunnen und zum Teil über die öffentliche Wasserversorgung. Für die Grundwassereigenförderung erließen die zuständigen Wasserbehörden Vorauszahlungsbescheide zur Grundwasserentnahmeabgabe, gegen die Widerspruch erhoben wurde. Für die öffentliche Wasserversorgung wurde die Grundwasserabgabe auf die Bf als Endverbraucher überwälzt, indem der Wasserversorgungsbetrieb die zu entrichtende Grundwasserabgabe den Bf in Rechnung stellte. Die Bf sehen sich durch das Gesetz in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verletzt. Jeder benutze Wasser, und die öffentliche Wasserversorgung stelle dieses Gut der Allgemeinheit zur Verfügung. Deshalb fehle es jedenfalls an einem individuellen Vorteil einer Person. Zudem gebiete das Grundgesetz, den Wasserbedarf, der das menschliche Existenzminimum abdecke, abgabenfrei zu lassen.

Zur Begründung heißt es in der Entscheidung der Kammer:

Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb zur Entscheidung liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu noch hat sie hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig. Denn die Bf sind durch die angegriffenen Normen nicht unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen. Die Zulässigkeit einer Vb gegen ein Gesetz setzt voraus, dass der Bf durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem Grundrecht betroffen ist. Eine unmittelbare Betroffenheit durch das Gesetz fehlt in der Regel, wenn die Durchführung der angegriffenen Vorschrift einen besonderen Vollzugsakt voraussetzt. Dann ist die Vb grundsätzlich erst zulässig, wenn die zuständigen Fachgerichte erfolglos angerufen wurden.

An der unmittelbaren Betroffenheit fehlt es hier. Die Wasserbehörden setzen die Regelungen über die Grundwasserentnahmeabgabe durch einen jährlich zu erlassenden Abgabebescheid um. Auch die gesetzlichen Regelungen über die Vorauszahlungspflicht erfordern eine vorherige Festsetzung durch Bescheid, um aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die Höhe der Vorauszahlung zahlenmäßig zu konkretisieren. Soweit die Bf ihr Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgung beziehen, sind sie nicht unmittelbar durch das Grundwasserabgabengesetz in ihren Grundrechten betroffen. Sie trifft schon deshalb keine Vorauszahlungspflicht kraft Gesetzes, weil sie insoweit nicht abgabepflichtig und folglich auch nicht vorauszahlungspflichtig sind. Soweit der Betreiber der öffentlichen Wasserversorgung die von ihm entrichtete Vorauszahlung über die Wasserrechnung auf die Endverbraucher überwälzen kann, handelt es sich nur um eine mittelbare Auswirkung der angegriffenen Regelungen über die Vorauszahlung. Es ist den Bf auch zumutbar, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts Rechtsschutz vor den Fachgerichten gegen die Abgabenbescheide zu suchen.

Der Vb kommt - unabhängig von ihrer Unzulässigkeit - auch deshalb keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, weil die mit ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen hinreichend geklärt sind.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Zweiten Senats zur Verfassungsmäßigkeit der Grundwasserentnahmeabgaben in Baden-Württemberg und Hessen ist nach Ansicht der Kammer geklärt, dass dem Land Schleswig-Holstein die Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung der Grundwasserentnahmeabgabe zusteht. Der Senat hat bereits entschieden, dass den Ländern die Kompetenz zur Erhebung von Wasserentnahmeabgaben zusteht. Ihre Gesetzgebungszuständigkeit ist nicht durch Bundesrecht ausgeschlossen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung steht der Abgabenerhebung nicht entgegen. Für eine Änderung der Rechtsprechung sieht die Kammer keinen Grund. Im Einzelnen führt sie dazu weiter aus:

Auch die Grundwasserentnahmeabgabe in Schleswig-Holstein rechtfertigt sich dadurch, dass ein Sondervorteil ganz oder teilweise abgeschöpft wird. Die knappe natürliche Ressource Grundwasser ist ein Gut der Allgemeinheit. Wird dem einzelnen Abgabepflichtigen die Nutzung des Grundwassers eröffnet, erhält er einen besonderen Vorteil gegenüber all denen, die das betreffende Gut der Allgemeinheit nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen. Der Bewertung als Sondervorteil steht nicht entgegen, dass jeder Wasser benutzt und die öffentliche Wasserversorgung das Wasser der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Denn das Grundwasser wird von den Einzelnen nicht im gleichen Umfang genutzt. Die Bf nutzen dieses Gut der Allgemeinheit bei der Herstellung der von ihnen produzierten Güter in der Regel quantitativ wesentlich intensiver als ein einzelner Privathaushalt. Dieser Vorteil kann durch die Grundwasserentnahmeabgabe ganz oder teilweise abgeschöpft werden.

Der Vb kommt auch nicht mit Blick auf die Frage, ob nach dem Grundgesetz das menschliche Existenzminimum an Wasser grundwasserabgabenfrei zu belassen sei, grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Auf diese Frage kommt es hier nicht an. Der Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimums wird insbesondere aus der Garantie der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet. Die Bf als juristische Personen haben jedoch weder eine solche personale Würde noch haben sie wie ein Mensch einen existenznotwendigen Lebensbedarf an Wasser. Deshalb können sie sich selbst nicht auf den Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimums berufen.

Karlsruhe, den 21. Januar 2003