Bundesverfassungsgericht

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Selbstablehnung des Präsidenten Papier begründet

Pressemitteilung Nr. 75/2003 vom 1. Oktober 2003

Beschluss vom 17. September 2003
1 BvL 3/98

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 17. September 2003 in den Normenkontrollverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der besonderen Entgeltbegrenzungen für bestimmte Gruppen von Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten nach § 6 Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschafts-Überführungsgesetz (AAÜG) vom 25. Juli 1991 in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 die Selbstablehnung des Präsidenten Papier für begründet erklärt.

1. Präsident Papier hat den Senat gebeten, eine Entscheidung über die Frage der Besorgnis seiner Befangenheit herbeizuführen. Er weist darauf hin, dass er bereits in früheren Normenkontrollverfahren zu § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes von der Mitwirkung an der Entscheidung entbunden war, weil er vor seiner Tätigkeit am Bundesverfassungsgericht in dieser Sache rechtsgutachterlich tätig gewesen war. Der vorliegende Prüfungsgegenstand sei zwar nicht identisch mit demjenigen, zu dem er sich zuvor gutachterlich geäußert habe. Dennoch könnten seine wissenschaftlichen Äußerungen zu § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes bei den Klägern der Ausgangsverfahren zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit führen, da er bereits diese "strengere" Regelung für verfassungskonform gehalten habe.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es: Bei der Frage der Besorgnis der Befangenheit geht es darum, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden. Wissenschaftliche Äußerungen zu einer für das Verfahren relevanten Frage können für sich genommen zwar keine Befangenheit begründen. Die Sorge, dass der Richter die streitige Rechtsfrage nicht mehr offen und unbefangen beurteilen werde, ist jedoch dann verständlich, wenn die Nähe solcher Äußerungen zu der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsauffassung bei einer Gesamtbetrachtung nicht zu übersehen ist und die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters vom Standpunkt anderer Beteiligter aus die Unterstützung dieses Beteiligten bezweckte.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die Selbstablehnung von Präsident Papier bezieht sich zwar auf eine andere Regelung als seinerzeit. Die jetzt zur Prüfung gestellte Fassung des § 6 Abs. 2 AAÜG begrenzt nämlich die Berücksichtigung von Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen bei der Bemessung der Renten weniger weitreichend als die Vorgängervorschrift, über die der Senat bereits entschieden hat. Bei unbefangener Betrachtungsweise kann aber der Eindruck entstehen, die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes durch Präsident Papier werde sich auch auf die weniger "strenge" Bestimmung des § 6 Abs. 2 AAÜG in der hier zur Prüfung gestellten Fassung erstrecken und könne als Unterstützung der Rechtsauffassung eines Beteiligten gewertet werden.

Karlsruhe, den 1. Oktober 2003