Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung zur Sicherungsverwahrung

Pressemitteilung Nr. 79/2003 vom 2. Oktober 2003

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 21. Oktober 2003 die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Straftäters, der über die frühere Höchstgrenze von zehn Jahren hinaus in der Sicherungsverwahrung untergebracht ist. Rechtsgrundlage ist das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998. Mit diesem Gesetz wurde die früher im Strafgesetzbuch vorgesehene Höchstgrenze von zehn Jahren bei einer erstmalig angeordneten Sicherungsverwahrung ersatzlos gestrichen. Diese Neuregelung ist uneingeschränkt auf alle angeordneten und noch nicht erledigten Fälle der Sicherungsverwahrung anzuwenden. Damit betrifft sie auch Straftäter, die bei ihrer Verurteilung noch mit einem sicheren Ende der angeordneten Maßregel nach zehn Jahren rechnen konnten.

Der Beschwerdeführer (Bf) ist wegen schwerer Verbrechen vielfach vorbestraft und befand sich seit seinem 15. Lebensjahr nur wenige Monate in Freiheit. Zuletzt wurde er 1986 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Raub zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Neuregelung befand er sich im Vollzug der Sicherungsverwahrung und wäre ohne sie zwingend nach Ablauf einer zehnjährigen Unterbringung aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen gewesen. Die Strafvollstreckungskammer lehnte es im Fall des Bf im Jahr 2001 ab, die angeordnete Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären. Der Bf blieb mit seinem Rechtsmittel erfolglos. Hiergegen richtet sich seine Vb. Er rügt insbesondere, die Neuregelung verstoße gegen das Rückwirkungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Danach kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Neuregelung sei weiter mit dem allgemeinen Rückwirkungsverbot nicht vereinbar. Außerdem hält der Bf die langjährige, gesetzlich nicht befristete Sicherungsverwahrung für unverhältnismäßig und ungleich härter als die lebenslange Freiheitsstrafe.

Zu dem Verfahren haben bisher die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof, der Generalbundesanwalt, das Bayerische Staatsministerium der Justiz, die Niedersächsische Landesregierung sowie die Hessische Staatskanzlei Stellung genommen.

Der Senat beabsichtigt, in der mündlichen Verhandlung mehrere sachverständige Auskunftspersonen zu Vollzugswirklichkeit, Prognosesicherheit und Auswirkungen des Vollzugs auf die Sicherungsverwahrten anzuhören.

Az:. 2 BvR 2029/01

Karlsruhe, den 2. Oktober 2003