Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung zur landesrechtlich geregelten Straftäterunterbringung (sog. nachträgliche Sicherungsverwahrung)

Pressemitteilung Nr. 80/2003 vom 2. Oktober 2003

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 22. Oktober 2003 zwei Verfassungsbeschwerden (Vb) von Straftätern, die aufgrund landesrechtlicher Regelungen nach Vollverbüßung ihrer Freiheitsstrafe untergebracht sind (sog. nachträgliche Sicherungsverwahrung).

Seit 1997 bemängeln verschiedene Bundesländer, dass das im Strafgesetzbuch geregelte Recht der Sicherungsverwahrung keine Handhabe biete, gefährliche Straftäter über das Strafende hinaus in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, soweit ihre Gefährlichkeit erst während des Strafvollzugs erkennbar wird. Die Bemühungen der Länder um die Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung auf Bundesebene sind bislang gescheitert. Der Bund hält sich für die Straftäterunterbringung für nicht zuständig und verweist auf das Recht der allgemeinen Gefahrenabwehr, für das die Länder zuständig seien. Zwischen März 2001 und März 2003 haben die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen eigene Gesetze über die Unterbringung gefährlicher Straftäter erlassen. Danach können Straftäter im Anschluss an die Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht werden, soweit sich ihre besondere Gefährlichkeit aus Ereignissen nach Urteilserlass ergibt.

Den beiden Verfassungsbeschwerden liegen folgende Sachverhalte zugrunde: Einer der Beschwerdeführer (Bf) wurde zweimal als Sexualstraftäter verurteilt. Im Jahr 2002 ordnete die Strafvollstreckungskammer die unbefristete Unterbringung nach dem Bayerischen Straftäterunterbringungsgesetz an, weil von dem Bf eine erhebliche Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgehe. Das Rechtsmittel des Bf blieb ohne Erfolg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt er die Verletzung seiner Rechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 103 Abs. 2 GG und macht insbesondere die Unzuständigkeit des Landesgesetzgebers geltend. Der andere Bf wurde zweimal wegen Tötungsdelikten bestraft. Im März 2002 wurde er auf Grund des Straftäterunterbringungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zunächst für sechs Monate untergebracht. Im August 2002 verlängerte die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung um weitere zwölf Monate. Sachverständige waren zu dem Ergebnis gekommen, dass von dem Verurteilten auf Grund seiner schweren persönlichen Störung weiterhin eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für andere ausgehe. Auch dieser Bf hält den Landesgesetzgeber für unzuständig und rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 103 Abs. 2 und 3 GG.

Zu den Verfahren haben die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof, der Generalbundesanwalt, die Bayerische Staatsregierung, der Bayerische Landtag, die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, der Landtag von Sachsen-Anhalt sowie die Thüringer Landesregierung Stellung genommen.

Az:. 2 BvR 834/02 und 2 BvR 1588/02

Karlsruhe, den 2. Oktober 2003