Bundesverfassungsgericht

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Tage der offenen Tür Verhandlungen des Ersten Senats am 4. November 2003

Pressemitteilung Nr. 84/2003 vom 16. Oktober 2003

Im Rahmen der jährlich stattfindenden "Tage der offenen Tür" verhandelt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am

D i e n s t a g, 4. November 2003,

im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,

Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe

zwei Verfassungsbeschwerde-Verfahren. Bürgerinnen und Bürger aus einer breiteren Öffentlichkeit sollen damit angesprochen werden, an einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht teilzunehmen (vgl. Pressemitteilung Nr. 85/2003 zu den Verhandlungen des Ersten Senats am 5. November 2003). Im Einzelnen geht es um Folgendes:

1. 9.30 Uhr Zum Nachtarbeitsverbot und zur Sonntagsarbeit Az. 1 BvR 636/02

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 Ladenschlussgesetz in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. Juli 1996 müssen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen, montags bis freitags bis 6:00 und ab 20:00 Uhr und samstags bis 6:00 und ab 16:00 Uhr geschlossen sein. Durch das Gesetz zur Verlängerung der Ladenöffnung an Samstagen vom 15. Mai 2003 wurde § 3 Ladenschlussgesetz geändert. Danach dürfen Verkaufsstellen nunmehr auch samstags bis 20:00 Uhr geöffnet sein.

Die Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verurteilung zur Unterlassung der Öffnung ihres Kaufhauses an Samstagen nach 16:00 Uhr sowie an Sonntagen. Sie betreibt am Alexanderplatz in Berlin-Mitte ein Warenhaus. Sie bietet dort auch Uhren und Schmuck an. Die Bf hielt ihr Warenhaus am Samstag, dem 31. Juli 1999, nach 16:00 Uhr und ebenfalls am Sonntag, dem 1. August 1999, zum Verkauf geöffnet. Sie versah die bei ihr käuflichen Waren mit einem Aufkleber "Berlin-Souvenir". Tags zuvor war der Bf durch die Stadt Berlin in sofort vollziehbarer Weise untersagt worden, während der in Ausflugs- und Erholungsgebieten zugelassenen besonderen Öffnungszeiten insbesondere Waren ohne Berliner Ortsbezug als Andenken zu verkaufen. Im Ausgangsverfahren war die Bf auf Antrag der Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäfts für Uhren und Schmuck durch das Landgericht verurteilt worden, es zu unterlassen, ihr Kaufhaus an Samstagen nach 16:00 Uhr sowie an Sonntagen zu öffnen. Die Berufung der Bf blieb vor dem Kammergericht ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Vb. Die Bf rügt die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Die angefochtenen Entscheidungen verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 Ladenschlussgesetz sei verfassungswidrig. Das Ladenschlussgesetz diene nur dem Schutz der Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten und der Sicherung ihrer Feierabend- und Sonntagsruhe. Weitere Schutzzwecke wie etwa Wettbewerbs- oder Verbraucherschutz seien abzulehnen. Das Ladenschlussgesetz sei aufgrund geänderter rechtlicher und tatsächlicher Lebensverhältnisse zum Schutz der Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten und der Erhaltung ihrer Sonntagsruhe jedoch ungeeignet. Zum Schutze vor unsozialen zeitlichen Belastungen sei das Gesetz nicht mehr erforderlich, da dieser Schutz anderweitig, insbesondere durch das Arbeitszeitgesetz gesichert werde. Das Ladenschlussgesetz greife auch in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Verbraucher ein. Ein vernünftiger Grund, zwischen Arbeitnehmern im Einzelhandel und Arbeitnehmern in anderen Branchen zu unterscheiden, sei auch nicht erkennbar. Eine Verletzung ihrer Wettberwerbsfreiheit liege auch darin, dass das Ladenschlussgesetz für Tankstellen, Läden in Bahnhöfen und in bestimmten Kur- und Erholungsgebieten längere Öffnungszeiten ermögliche.

Zu der Vb haben die Klägerin des Ausgangsverfahrens, für die Bundesregierung das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, der Präsident des Bundesgerichtshofs, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, der Präsident des Bundesarbeitsgerichts, die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V. (BAG) Stellung genommen.

2. 11.30 Uhr Bestimmung des Nachnamens aus einer geschiedenen Ehe zum Ehenamen Az. 1 BvR 193/97

Nach geltendem Namensrecht können Ehepartner nur den Geburtsnamen der Frau oder den des Mannes und nicht den jeweiligen Familiennamen, den sie zur Zeit der Eheschließung führen, zum Ehenamen bestimmen (§ 1355 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; siehe Anlage). Dementsprechend können auch Lebenspartner nur den Geburtsnamen als Partnerschaftsnamen bestimmen. In der ehemaligen DDR konnte der zur Zeit der Eheschließung geführte Name des Mannes oder der Frau zum Ehenamen gewählt werden. Der in einer Vorehe erworbene Name konnte also auch als Ehename in der neuen Ehe bestimmt werden.

Im Ausgangsverfahren bestimmten die Beschwerdeführer (Bf), die 1993 in den USA geheiratet hatten, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland gegenüber dem deutschen Standesbeamten den von der Bf zu 1 im Zeitpunkt der Eheschließung geführten, in ihrer Vorehe erworbenen Familiennamen zum Ehenamen. Dies lehnte der Standesbeamte ab. Zum Ehenamen können nur der Geburtsname eines Partners bestimmt werden. Rechtsmittel der Bf blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Bf, dass § 1355 Abs. 2 BGB insbesondere gegen Art. 2 und 3 GG verstoße. Der erheiratete Familienname stehe dem Ehegatten als eigenes Recht zu. Dieses sei durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Das Gleichbehandlungsgebot sei insbesondere dadurch verletzt, weil der erheiratete Name nach geltendem Recht durchaus an Kinder weitergegeben werden könne, die nicht aus der Ehe mit dem ursprünglichen Namensträger hervorgegangen sind.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an den Verhandlungen teilnehmen möchten, werden gebeten, sich schriftlich anzumelden (Postfach 17 71, 76006 Karlsruhe, z. Hd.: Herrn Kambeitz; Fax: 0721/9101-461). Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer für Rückfragen anzugeben.

Karlsruhe, den 16. Oktober 2003

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 84/2003 vom 16. Oktober 2003

§ 1355 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch:

Zum Ehenamen können die Ehegatten durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Geburtsnamen des Mannes oder den Geburtsnamen der Frau bestimmen.