Bundesverfassungsgericht

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Tage der offenen Tür Verhandlungen des Zweiten Senats am 18. und 19. November 2003

Pressemitteilung Nr. 89/2003 vom 20. Oktober 2003

Im Rahmen der jährlich stattfindenden Tage der offenen Tür verhandelt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts am

Dienstag, 18. November 2003, und Mittwoch, 19. November 2003,

im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,

Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe

folgende Verfahren:

1. Dienstag, 18. November 2003, 10.00 Uhr: Erfassung von Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften - 2 BvL 17/02 -

In dem Normenkontrollverfahren geht es um die Frage, ob im Veranlagungszeitraum 1997, dem Streitjahr des Ausgangsverfahrens, bei der Besteuerung von Einkünften aus "Spekulationsgeschäften" im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz (in der im Veranlagungszeitraum 1997 gültigen Fassung; siehe Anlage) strukturelle, dem Gesetzgeber zurechenbare Erhebungsdefizite bestehen, und - bejahendenfalls - ob eine hierdurch bewirkte Besteuerungsungleichheit zu Lasten der Steuerehrlichen zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm führt. Betroffen sind private Veräußerungsgeschäfte, die Wertpapiere zum Gegenstand haben und nach den einschlägigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes in der im Veranlagungszeitraum 1997 gültigen Fassung zu den so genannten "Spekulationsgeschäften" gezählt wurden.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens erklärte in der Anlage KSO zu seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1997 sonstige Einkünfte aus Spekulationsgeschäften im Sinne von § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz in Höhe von insgesamt 1.752 DM. Diese berücksichtigte das zuständige Finanzamt in seinem Einkommensteuerbescheid 1997 erklärungsgemäß. Der Kläger hält den Ansatz des Spekulationsgewinns für verfassungswidrig. Seine mit dieser Begründung erhobene Sprungklage zum Finanzgericht blieb jedoch ohne Erfolg. Der von ihm im Revisionsverfahren angerufene Bundesfinanzhof (BFH) setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als die Durchsetzung des Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird. Der BFH ist von der Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm überzeugt. Er hat ausgeführt: Die Form der Steuererhebung sei unzureichend ausgestaltet, denn das der Finanzverwaltung zur Verfügung stehende Überprüfungsinstrumentarium sei entweder schon nicht einschlägig oder genüge nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Auf Grund der Erhebungssituation werde ein gleichmäßiger Belastungserfolg bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften prinzipiell verfehlt. Die gleichheitswidrige Belastung der Steuerehrlichen müsse sich der Gesetzgeber zurechnen lassen. Die in Rede stehende materielle Steuernorm werde durch die Finanzämter tatsächlich nicht vollzogen. Dies verdeutliche die Ungleichheit der steuerlichen Belastung.

Zu dem Normenkontrollverfahren hat das Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung Stellung genommen.

2. Mittwoch, 19. November 2003, 10.00 Uhr: Geldwäsche durch Strafverteidiger - 2 BvR 1520/01 - und - 2 BvR 1521/01 -

Die beiden Verfassungsbeschwerden (Vb) richten sich gegen Verurteilungen von Strafverteidigern wegen Geldwäsche. Sie sollen Bargeld als Honorarvorschuss entgegengenommen haben, das aus rechtswidrigen Vortaten stammt.

Der Straftatbestand der Geldwäsche ist im Jahre 1992 als § 261 in das Strafgesetzbuch eingeführt worden. Die Strafbestimmung ist inzwischen mehrfach geändert worden. Seit 1. Dezember 1994 kommt als Vortat auch das Vergehen des Betrugs in Betracht, wenn es gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden ist.

Die Beschwerdeführer (Bf), ein Ehepaar, sind in einer gemeinsamen Sozietät Strafverteidiger. Sie waren seit 1992 für zwei miteinander verheiratete Mandanten tätig. Gegen diese wurde im Zusammenhang mit so genannten "Lettergeschäften" des 1991 gegründeten "German-Kings-Club" (GKC) bzw. des im Jahre 1992 an dessen Stelle getretenen "European- Kings-Club" (EKC) ermittelt. GKC und EKC vertrieben schriftliche Zahlungsversprechen in Form so genannter "Letter", in denen Anlegern sichere Gewinne von mindestens 71% jährlich versprochen wurden. Ein solches Versprechen setzte eine Anlagerendite von monatlich 10,5% voraus. Den Verantwortlichen von GKC und EKC war klar, dass eine solche Rendite nicht zu erzielen war und sie die versprochenen Gewinne nur im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems mit Hilfe von Einzahlungen neuer Letter-Käufer hätten auszahlen können. Gleichwohl erweckten sie bei den Anlegern die falsche Vorstellung, dass mit den Einnahmen aus den Letter-Verkäufen außergewöhnlich sichere und hochrentable Anlagen zur Erwirtschaftung der Auszahlungen getätigt würden. Die Mandanten der Bf waren Hauptverantwortliche des GKC bzw. Führungsmitglieder des EKC und wurden später rechtskräftig wegen gemeinschaftlichem Betrugs in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Im Zusammenhang mit diesen Mandaten nahmen die Bf am 8. Dezember und am 23. Dezember 1994 jeweils 200.000 DM als Honorar in bar entgegen. Dafür verurteilte sie das Landgericht (LG) am 4. Mai 2000 wegen Geldwäsche zu jeweils 9 Monaten Freiheitsstrafe. Vom Vorwurf der weiteren Geldwäsche im Zusammenhang mit der Einzahlung und Abholung von zur Sicherheit hinterlegten Haftkautionszahlungen sprach das LG die Bf frei.

Gegen das Urteil des LG legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Bf Revision ein. Die Staatsanwaltschaft wendete sich gegen den Teilfreispruch, die Bf hielten § 261 StGB für nicht verfassungskonform und falsch ausgelegt. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision der Bf und hob auf die Revision der Staatsanwaltschaft die angegriffene Entscheidung hinsichtlich des Teilfreispruchs auf. Daraufhin verurteilte das LG die Bf nunmehr auch wegen der Einzahlung und Inempfangnahme der Haftkautionen. Es wurde unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe für den rechtskräftig abgeurteilten Fall der Geldwäsche jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verhängt, die die Kammer zur Bewährung aussetzte. Gegen die Verurteilung im Kautionskomplex legten die Bf keine Revision ein.

Mit ihrer Vb greifen die Bf zum einen die landgerichtliche Verurteilung wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 2 StGB und die Verwerfung ihrer Revision durch den BGH (Honorarentgegennahme) und zum anderen die Aufhebung des Freispruchs durch den BGH und die sich daran anschließende Verurteilung durch das Landgericht wegen Begünstigung in Tateinheit mit Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 StGB (Haftkautionen) an. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 GG in Verbindung mit Art. 2, Art. 20, Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 2 und 3 GG.

Zu den Verfassungsbeschwerden haben das Bundesministerium der Justiz, der BGH, der Deutsche Anwaltverein, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Vereinigung deutscher Strafverteidiger e.V., Strafverteidigervereinigungen und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. Stellung genommen.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an den Verhandlungen teilnehmen möchten, werden gebeten, sich schriftlich für Dienstag oder Mittwoch anzumelden (Postfach 17 71, 76006 Karlsruhe, zu Hd. Herrn Kambeitz; Fax: 0721/9101-461). Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer für Rückfragen anzugeben.

Karlsruhe, den 20. Oktober 2003

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 89/2003 vom 20. Oktober 2003

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz

(1) ¹Spekulationsgeschäfte (§ 22 Nr. 2) sind

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), nicht mehr als zwei Jahre,

b) bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, nicht mehr als sechs Monate;

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