Bundesverfassungsgericht

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Zum Rechtsschutz des Konkurrenten bei der Aufnahme in den Krankenhausplan

Pressemitteilung Nr. 8/2004 vom 29. Januar 2004

Beschluss vom 14. Januar 2004
1 BvR 506/03

Die besondere Grundrechtsbetroffenheit, die für ein konkurrierendes Krankenhaus, das nicht in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen wird, mit der Planaufnahme eines anderen Krankenhauses verbunden ist, macht es erforderlich, dem konkurrierenden Bewerber hiergegen zeitnah Rechtsschutz im Wege der Drittanfechtung zu eröffnen. Dies entschied die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Krankenhauses (Beschwerdeführerin; Bf), dem vorläufiger Rechtsschutz gegen die Planaufnahme eines anderen Krankenhauses versagt worden war.

Die entgegenstehenden Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für Nordrhein-Westfalen und des VG Minden wurden aufgehoben, weil sie die Bf in ihrem Recht aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verletzen. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Minden zurückverwiesen.

1. Zum Hintergrund und Sachverhalt:

Krankenhauspläne werden nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von den Ländern aufgestellt. Zweck des Gesetzes ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen. Nach Aufstellung des Krankenhausbedarfsplans entscheiden Landesbehörden über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines bestimmten Krankenhauses in den Plan. Die Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan ist Voraussetzung für eine Investitionsförderung und für die Erbringung von Krankenhausleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Im Ausgangsfall bestand im Raum B. im Jahre 1996 ein zusätzlicher Bedarf an 20 Planbetten im Bereich Innere Medizin/ Hämatologie. Die Bf, ein freigemeinnütziges Krankenhaus in B., beantragte im Juli 1996 bei der zuständigen Behörde die Feststellung von Planbetten in diesem Bereich. Sie halte die Betten bereits vor und erfülle alle persönlichen und sachlichen Voraussetzungen. Die Städtischen Kliniken in B. beantragten im Sommer 1998 ebenfalls Aufnahme in den Krankenhausplan, ohne damals über Betten oder ärztliches Personal im Fachbereich Hämatologie zu verfügen. Im September 2002 wurde nicht die Bf, sondern die Städtischen Kliniken in den Krankenhausplan aufgenommen. Gegen diesen Feststellungsbescheid erhob die Bf Widerspruch. Ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg. Der Feststellungsbescheid zu Gunsten der Städtischen Kliniken verletze sie nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten, der Widerspruch sei daher unzulässig. Sie habe lediglich Anspruch auf fehlerfreie Auswahl unter mehreren Bewerbern. Dieser sei im Hauptsacheverfahren mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen. Der eigene Antrag der Bf auf Aufnahme in den Krankenhausplan war zuvor abgelehnt worden. Insoweit ist ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anhängig. Mit ihrer Vb gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rügt die Bf vor allem eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 und Art. 19 GG.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Der Zulässigkeit der Vb steht insbesondere nicht entgegen, dass der Rechtsweg in der Hauptsache noch nicht erschöpft ist. Der Bf ist es angesichts der voraussichtlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens und wirtschaftlichen Bedeutung der Streitsache nicht zumutbar, sie auf die Erschöpfung des Rechtswegs im Hauptsacheverfahren zu verweisen. Die Kammer verweist insoweit auf den bisherigen zeitlichen Ablauf des Verfahrens sowie darauf, dass die begünstigte Konkurrentin ihre Position inzwischen weiter ausbauen und festigen kann.

Die Vb hat in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen haben Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG verkannt, indem sie die Drittbetroffenheit der Bf verneint haben. Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Bürger einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Gerichte müssen den betroffenen Grundrechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen. Irreparable Entscheidungen sind soweit wie möglich auszuschließen.

Diesem Maßstab werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Aufnahme eines konkurrierenden Bewerbers in den Krankenhausplan schränkt die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten für das nicht aufgenommene Krankenhaus ein. Die Nichtaufnahme in den Krankenhausplan führt zu einem erheblichen Konkurrenznachteil, der in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Berufzulassungsbeschränkung nahe kommt. Diese Situation erfordert es, dem übergangenen Krankenhaus zeitnah die Möglichkeit der Drittanfechtung einzuräumen. Eine isolierte Verpflichtungsklage mit dem Ziel der eigenen Aufnahme in den Krankenhausplan genügt dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht, nachdem die Konkurrentin bereits zugelassen wurde. Die Bewerbung zweier Krankenhäuser auf begrenzte Bettenplätze unterscheidet sich nicht erkennbar von den Konkurrenzsituationen, in denen nach inzwischen gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung eine Konkurrentenklage zugelassen werden muss.

Hierzu führt die Kammer aus:

Die Abwägungssituation wird durch die Zulassung der Konkurrentin verändert. Die Darstellung der Gründe für eine eigene Aufnahme in den Krankenhausplan kommt in aller Regel zu spät, wenn die Argumente nicht im Zusammenhang mit der Aufnahmeentscheidung zugunsten des Konkurrenten vorgebracht werden können. Das aufgenommene Krankenhaus wird dann bereits vollendete Tatsachen geschaffen haben, die eine Rückgängigmachung der Entscheidung praktisch unmöglich machen. Öffentliche Fördermittel werden zudem bei jeder nachträglichen Herausnahme eines Krankenhauses aus dem Krankenhausplan zu einer Fehlinvestition. Durch die Verfahrensgestaltung muss eine solche Verschwendung tunlichst vermieden werden. Hinzu kommt das Risiko von Ersatzforderungen, wenn sich die begünstigende Entscheidung als falsch erweist und ein Krankenhaus nachträglich aus dem Krankenhausplan herausgenommen wird. Für die Zulassung einer Konkurrentenklage im Wege der Drittanfechtung spricht im übrigen auch, dass die Entscheidung über die Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan in aller Regel nicht isoliert, sondern immer auch unter Berücksichtigung gleichzeitig vorliegender anderer Bewerbungen zu erfolgen hat, schon um festzustellen, welches der beteiligten Krankenhäuser nach den maßgeblichen Kriterien am besten geeignet ist.

Karlsruhe, den 29. Januar 2004