Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Zum Eilrechtsschutz bei Versammlungsverboten

Pressemitteilung Nr. 29/2004 vom 12. März 2004

Beschluss vom 12. März 2004
1 BvQ 6/04

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat es in einem vom Landesverband Nordrhein-Westfalen der National Demokratischen Partei Deutschland (NPD; Antragsteller, ASt) angestrengten Eilverfahren um ein Versammlungsverbot abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu erlassen.

Zum Sachverhalt:

Der Ast hatte für den 13. und 20. März 2004 die Durchführung zweier Aufzüge mit Kundgebungen in Bochum unter dem Motto: "Stoppt den Synagogenbau - 4 Millionen fürs Volk!" angemeldet. Die Versammlungsbehörde verbot die geplante Versammlung und ordnete die sofortige Vollziehung des Verbots an. Der ASt erhob dagegen Widerspruch. Sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hatte in erster Instanz Erfolg, während das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen den Antrag der Ast auf Gewährung von Eilrechtsschutz gegen das Versammlungsverbot ablehnte.

In seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geht der Ast davon aus, es gehe nicht um die Verhinderung des Baus einer Synagoge in Bochum als solcher, sondern um den Einsatz von 4 Millionen Euro Steuermitteln für diesen Zweck. Mittlerweile sei das Versammlungsmotto - bei im wesentlichen gleichbleibendem Text des Versammlungsaufrufs - geändert worden in "Keine Steuermittel für den Synagogenbau! In Bochum soll eine Synagoge gebaut werden. Wir sagen Nein!".

Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich im Wesentlichen:

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Dies ist das Ergebnis der im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens gebotenen Folgenabwägung.

Das öffentliche Interesse an dem Verbot der Versammlung überwiegt das Interesse des ASt an deren Durchführung. Das OVG hat in seiner Entscheidung mehrere Begründungen für die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung angeführt. Tragfähig ist davon nur diejenige, dass die geplante Versammlung ausweislich ihres Mottos und des Textes des Versammlungsaufrufs gegen den Straftatbestand der Volksverhetzung und damit gegen die öffentliche Sicherheit verstoße. Die dieser Begründung zu Grunde liegende Tatsachenwürdigung kann jedenfalls im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren nicht als offensichtlich fehlsam beanstandet werden.

Das OVG geht davon aus, dass das Versammlungsmotto in hetzerischer und aggressiver Weise das Ziel der Ausgrenzung der in Deutschland lebenden jüdischen Mitbürger verfolge. Daran ändere auch die mitenthaltene finanzpolitische Forderung nichts. Dem ASt gehe es darum, dass die geplante Synagoge überhaupt nicht gebaut werden solle. Das OVG geht weiter davon aus, dass Auflagen als milderes Mittel vorliegend nicht in Betracht kommen. Auch diese Annahme ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwischenzeitlich wurden Versammlungsmotto und -aufruf geändert. Dies veranlasst aber keine andere Einschätzung der Gefahrenlage. Zwar dürfte das neue Versammlungsmotto in Verbindung mit dem Versammlungsaufruf nicht mehr den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Jedoch ist der alte Versammlungsaufruf mit dem alten Versammlungsmotto weiterhin in Veröffentlichungen enthalten. Diese sind dem ASt direkt zuzurechnen oder sie verweisen auf die von ihm geplante Versammlung, ohne dass er den dort enthaltenen Angaben deutlich entgegentritt. Deshalb ist weiterhin zu besorgen, dass die geplante Versammlung die in diesen Aufrufen enthaltenen Inhalte verfolgen wird.

Karlsruhe, den 12. März 2004