Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung Parteienfinanzierung - Verfassungsmäßigkeit des "Drei-Länder-Quorums" nach § 18 Absatz 4 Satz 3 Parteiengesetz

Pressemitteilung Nr. 57/2004 vom 11. Juni 2004

2 BvE 1/02- und - 2 BvE 2/02

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 30. Juni 2004 auf Antrag der Partei DIE GRAUEN- Graue Panther und der Ökologisch-Demokratischen Partei in den gegen den Deutschen Bundestag und den Bundesrat gerichteten Organstreitverfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des "Drei-Länder-Quorums" nach § 18 Abs. 4 Satz 3 Parteiengesetz.

Seit 1994 gewährt der Staat den Parteien anstelle der früheren Wahlkampfkostenerstattung Mittel als Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben. Für die Verteilung der staatlichen Mittel kommt es zum einen auf den Wahlerfolg (so genannter Wählerstimmenanteil) und zum anderen auf die Summe ihrer Mitgliedsbeiträge und der von ihr eingeworbenen Spenden (so genannter Zuwendungsanteil in Form von Zuschüssen zu den eingenommenen Beiträgen und Spenden natürlicher Personen) an. Beide Kriterien sollen die Höhe der staatlichen Leistungen von dem Zuspruch der Bürgerinnen und Bürger sowie von der gesellschaftlichen Verwurzelung der Parteien abhängig machen. Das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes vom 28. Juli 2002 hat mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in das Parteiengesetz die Regelung aufgenommen, wonach eine politische Partei, die an Landtagswahlen teilnimmt, staatliche Zuschüsse zu den eingenommenen Beiträgen und Spenden nur noch dann erhält, wenn sie bei mindestens drei der jeweils letzten Landtagswahlen 1,0 v.H. (so genanntes Drei-Länder-Quorum) oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 5,0 v.H. der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht hat. Damit werden die Anforderungen für die Teilnahme von Parteien an der staatlichen Teilfinanzierung in Form des Zuwendungsanteils erhöht, während der so genannte Wählerstimmenanteil von der Neuregelung unberührt bleibt. Derzeit haben Anspruch auf den Zuwendungsanteil die Parteien, die bei einer Landtagswahl 1,0 v.H. der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Einführung des Drei-Länder-Quorums mehrere Ziele: Kleine radikale Parteien würden nach der bisherigen Regelung dazu verleitet, sich für Wahlen bewusst die Stadtstaaten auszusuchen, um mit möglichst geringem Aufwand in den Genuss der staatlichen Teilfinanzierung zu gelangen. Einem solchen Missbrauch müsse entgegengewirkt werden. Das "Drei-Länder-Quorum" stelle auch die Wahrnehmbarkeit der Parteien auf Grund ihrer bundespolitischen Bedeutung künftig sicher. Außerdem komme die Neuregelung dem Ziel der Gleichgewichtigkeit des Wählerstimmenanteils und des Zuwendungsanteils bei der staatlichen Teilfinanzierung näher.

Beide Antragstellerinnen nehmen am System der staatlichen Teilfinanzierung der politischen Parteien teil. Die Partei DIE GRAUEN- Graue Panther erhielt bei der endgültigen Festsetzung der Mittel für das Jahr 2002 einen rechnerischen Wählerstimmenanteil von 18.779,05 Euro und einen Zuwendungsanteil von 561.663,64 Euro, bei der Ökologisch- Demokratischen Partei errechnete sich ein Wählerstimmenanteil von 92.582,00 Euro und ein Zuwendungsanteil von 481.334,92 Euro. Bei Anwendung des ab 1. Januar 2005 geltenden "Drei-Länder-Quorums" kämen die Antragstellerinnnen künftig nicht mehr in den Genuss des Zuwendungsanteils. Denn bei den letzten Landtagswahlen überwand die Partei DIE GRAUEN- Graue Panther allein in Berlin und Hamburg und die Ökologisch-Demokratische Partei nur in Bayern die 1 v.H.-Grenze des § 18 Abs. 4 Satz 1 Parteiengesetz. Die Antragstellerinnen haben Organklagen gegen den Deutschen Bundestag und Bundesrat erhoben. Sie rügen eine Verletzung von Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Das Drei-Länder-Quorum stelle die Wahrung der Chancengleichheit der politischen Parteien durch den Staat in Frage. Zudem erschwere es den Zutritt von Parteien in den politischen Wettbewerb und verstoße daher gegen den Grundsatz der Offenheit des politischen Prozesses. Eine kleine Partei sei zu ihrer Finanzierung in besonderem Maße auf Beiträge und Spenden angewiesen. Der Ausschluss vom Zuwendungsanteil der staatlichen Teilfinanzierung gefährde sie in ihrer Existenz und schwäche sie im politischen Wettbewerb. Es fehle an einem zwingenden Grund, der es rechtfertigen könne, sie vom Zuwendungsanteil als dem zweiten Standbein der staatlichen Teilfinanzierung auszuschließen.

Bislang hat der Deutsche Bundestag zu dem Organstreitverfahren Stellung genommen.

Karlsruhe, den 11. Juni 2004