Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Zum so genannten Dosenpfand

Pressemitteilung Nr. 101/2004 vom 17. November 2004

Beschluss vom 20. Oktober 2004
1 BvR 117/03

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) von sieben selbständigen Einzelhändlern, die sich in verwaltungsgerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Wirksamwerden der Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten nach der Verpackungsverordnung (VerpackV) zum 1. Januar 2003 wenden, ist von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Zum Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer (Bf) vertreiben als selbständige Einzelhändler Getränke in Einwegverpackungen. Gegen die Bekanntmachung über die Ergebnisse der Nacherhebung durch die Bundesregierung vom 2. Juli 2002, die zu einer Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht für Einweggetränkeverpackungen ab dem 1. Januar 2003 führte, erhoben sie vor dem Verwaltungsgericht (VG) Klage, über die bislang noch nicht letztinstanzlich entschieden ist. Ihre Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieben sowohl vor dem VG als auch dem Oberverwaltungsgericht (OVG) erfolglos. Mit ihrer dagegen gerichteten Vb rügen die Bf, dass die Pfandpflichten der VerpackV gegen Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip verstießen. Zugleich rügen sie, sie seien dem gesetzlichen Richter entzogen worden.

In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Die Voraussetzungen für eine Annahme der Vb liegen nicht vor. Die Vb ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet und hat deshalb keine Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit die Bf rügen, dass die VerpackV gegen Art. 1 GG , Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip verstoße, steht der Zulässigkeit der Vb der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Ist Gegenstand der Vb die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes, muss der Rechtsweg in der Hauptsache dann zuerst ausgeschöpft werden, wenn sich dort die Chance bietet, eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen. Die Bf rügen Grundrechtsverletzungen, die sich auf das Hauptsacheverfahren beziehen. Insoweit ist der Rechtsweg noch nicht erschöpft.

2. Es ist für die Bf auch zumutbar, wenn sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Die Bf haben nicht dargelegt, dass die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens aussichtslos wäre. Sie haben zwar behauptet, aber nicht schlüssig dargelegt, dass ihnen schwere und unabwendbare Nachteile dadurch entstanden sind, dass sie über den 1. Januar 2003 hinaus die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwarten müssen. Die Vb erweckt den unzutreffenden Eindruck, Einzelhändler seien mit Eintritt der Pfandpflichten gezwungen, entweder ihren Betrieb aufzugeben oder aber bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten zu begehen.

3. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht hinreichend substantiiert. So wird nicht dargelegt, inwieweit die genannten Grundrechte auf juristische Personen Anwendung finden. Ferner wurde nicht hinreichend ausgeführt, warum der vom OVG als verspätet zurückgewiesene Einwand der Kartellrechtswidrigkeit doch hätte berücksichtigt werden müssen.

4. Ebenfalls unsubstantiiert ist die Rüge der Bf, ihr Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sei verletzt, weil die Pfanderhebung in Kraft trete, ohne dass eine Entscheidung in der Hauptsache vorliege. Die von den Bf gegen die Pfanderhebungspflicht vorgebrachten Einwände wurden noch vor Wirksamwerden der Pfanderhebungspflicht von den Verwaltungsgerichten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausführlich behandelt.

5. Die Vb ist jedenfalls unbegründet, soweit die Bf rügen, mit der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes - nicht etwa durch die Ablehnung einer Vorlage - habe das OVG sie dem Europäischen Gerichtshof als ihrem gesetzlichen Richter entzogen. Aus der Garantie des gesetzlichen Richters folgt nicht das Gebot, Maßnahmen einstweiligen Rechtsschutzes einzuleiten, bis ein anderes Gericht seine Entscheidung in einem anderen Verfahren getroffen hat.

Karlsruhe, den 17. November 2004