Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2005 („Solidarfonds Abfallrückführung“)

Pressemitteilung Nr. 115/2004 vom 22. Dezember 2004

2 BvR 2335/95 und 2 BvR 2391/95

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 12. Januar 2005 die Verfassungsbeschwerden von 13 Abfallexporteuren, die sich gegen den "Solidarfonds Abfallrückführung" wenden (vergleiche Pressemitteilung Nr. 109/2004 vom 7. Dezember 2004).

Rechtlicher Hintergrund:

Mit dem Basler Übereinkommen über die Kontrolle grenzüberschreitender Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 22. März 1989 hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, für die Rückführung von Abfällen zu sorgen, deren Verbringung ins Ausland gescheitert ist, insbesondere bei illegalen Verbringungen, und die durch die Rückführung entstehenden Kosten zu tragen. Zur Umsetzung dieser Regelungen erließ der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Abfallverbringungsverordnung vom 6. Februar 1993.

Am 30. September 1994 verabschiedete der Bundesgesetzgeber das Ausführungsgesetz zum Basler Übereinkommen. Art. 1 des Ausführungsgesetzes enthält das Abfallverbringungsgesetz (AbfVerbrG). Zur Deckung der durch die Abfallrückführung entstandenen Kosten wurde in § 8 AbfVerbrG der "Solidarfonds Abfallrückführung" errichtet. Dieser in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt organisierte Fonds trägt die dem jeweiligen Bundesland durch illegale Verbringungen entstandenen Kosten bis zu einer Höhe von 75 Mio. DM. Der Solidarfonds wird durch so genannte Mitgliedsbeiträge der notifizierenden Personen gespeist, wobei die Mitgliedsbeiträge zur Deckung der Leistungen aus dem Solidarfonds und zur Deckung der Verwaltungskosten des Solidarfonds an die Anstalt zu leisten sind. "Notifizierende Personen" sind nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 der EG-Abfallverbringungsordnung nicht nur die exportierenden Unternehmen, die die Verbringung oder Ausfuhr der Behörde tatsächlich angezeigt (notifiziert) haben, sondern auch diejenigen, die zur Anzeige (Notifizierung) verpflichtet sind, nämlich Abfallerzeuger, Abfallentsorger und Abfallbesitzer jeweils mit Verbringungsabsicht.

Vortrag der Beschwerdeführer (Bf):

Die Bf rügen unter anderem eine Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie. Sie sehen in den Mitgliedsbeiträgen "Solidarfonds Abfallrückführung" eine unzulässige Sonderabgabe. In der Rückführung illegaler Abfallexporte liege keine der Entsorgungsbranche obliegende besondere Aufgabe, sondern eine dem Staat zuzurechnende Gemeinlast, die aus Steuermitteln finanziert werden müsse. Da der Fonds einzig und allein der finanziellen Entlastung der öffentlichen Hände diene, fehle es auch an einer Sachnähe zu dem mit der Beitragserhebung verfolgten Zweck. Allein der Umstand, dass die Verhinderung und Rückführung illegaler Abfallexporte sachlich in der Nähe der Abfallexportwirtschaft liege, könne keine Gruppenverantwortung der Abfallexportwirtschaft für diese Sachaufgabe begründen.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Februar 2003, Aktenzeichen C 389/00:

Am 27. Februar 2003 hat der EuGH in einem parallel von der Europäischen Kommission betriebenen Verfahren festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit dem Erlass des Abfallverbringungsgesetzes gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 23 EG und Art. 25 EG verstoßen habe. Denn die Abgabe entfalte die gleiche Wirkung wie eine Ausfuhrzollabgabe. Eine Ausnahme vom Verbot der Erhebung von Abgaben mit zollgleicher Wirkung liege nicht vor.

Karlsruhe, den 22. Dezember 2004