Bundesverfassungsgericht

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Zum Transferrubel-Abrechnungsverkehr der ehemaligen DDR mit ihren Handelspartnern

Pressemitteilung Nr. 6/2005 vom 18. Januar 2005

Beschluss vom 10. Dezember 2004
2 BvR 890/00

Die Verfassungsbeschwerden (Vb) eines 1990 in der ehemaligen DDR gegründeten Außenhandelsunternehmens sind von der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen worden. Die Beschwerdeführerin (Bf) hatte sich gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Konvertierung von Guthaben gewandt, die aus Exporten im Rahmen des Transferrubel-Abrechnungsverkehrs der ehemaligen DDR mit ihren Handelspartnern stammten.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:

Der Transferrubel (XTR) war im Handel unter den Ländern des ehemaligen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), zu denen auch die DDR gehörte, als künstliche Verrechnungseinheit verwendet worden. Die RGW- Mitgliedstaaten hatten Umfang und Struktur ihrer jeweiligen Im- und Exporte vertraglich festgelegt, wobei sich der in Transferrubeln gerechnete Wert der gehandelten Güter annähernd auszugleichen hatte. In der DDR wurde der Außenhandel u. a. von etwa 50 Außenhandelsbetrieben, die dem DDR-Ministerium für Außenhandel unterstanden, abgewickelt.

Nach Einführung der D-Mark in der DDR zum 1. Juli 1990 wurde der Transferrubel-Verrechnungsverkehr der DDR mit den früheren Ostblock- Partnerstaaten noch bis zum 31. März 1991 fortgeführt. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung entstand vor allem im zweiten Halbjahr 1990 auf Seiten der DDR ein erheblicher Exportüberschuss. Die Transferrubel- Guthaben beliefen sich auf rd. 11,8 Milliarden XTR. Diese wurden vom Bund mit einem Kurs von 2,34 DM pro Transferrubel umgerechnet und an die Exporteure ausgezahlt. Im Jahr 1991 begann die Bundesregierung, mit den Regierungen der betroffenen RGW-Mitgliedstaaten über die Bewertung der Transferrubel-Guthaben in eine D-Mark-Verbindlichkeit sowie eine Rückzahlungsregelung zu verhandeln. Am 29. Juni 1994 wurde mit Polen ein Regierungsabkommen geschlossen, das eine Rückzahlung von 127,8 Mio. € vorsieht. Die Bf schloss mit einem Abnehmer in Polen (2 BvR 890/00) und - nach dem Vortrag der Bf - auch mit einem Abnehmer in der ehemaligen Sowjetunion (2 BvR 235/01) Verträge über die Lieferung von Lederschuhen. Das Bundesamt für Wirtschaft lehnte die Anträge der Bf auf Konvertierung von Transferrubel-Guthaben der Bf in D-Mark ab. Die hiergegen gerichteten verwaltungsgerichtlichen Klagen blieben in allen Instanzen ohne Erfolg. Mit ihren Vb rügt die Bf eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14, Art. 3 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Das Vb-Verfahren 2 BvR 235/01 ist mangels hinreichenden Sachvortrags unzulässig. Das Vb-Verfahren 2 BvR 890/00 ist unbegründet.

1. In dem Abschluss des Regierungsabkommens vom 29. Juni 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen über die Abwicklung des deutschen Transferrubel-Guthabens liegt kein Eingriff in das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der Bf.

Die RGW-Mitgliedstaaten hatten sich im Transferrubel-Abkommen verpflichtet, beim jährlichen Abschluss der das Abkommen konkretisierenden Handelsprotokolle den Ausgleich der Zahlungseingänge und -ausgänge bezogen auf das Kalenderjahr zu gewährleisten. Zur Erfüllung dieser Pflicht haben sich die Bundesrepublik Deutschland und Polen geeinigt, ihre aus dem Transferrubel-Abrechnungsverfahren stammenden Salden im Vergleichswege auszugleichen. Es handelt sich hierbei um ein Rechtsgeschäft zwischen Staaten auf völkerrechtlicher Ebene.

Das Rechtsverhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bf hingegen unterscheidet sich hiervon. Zivilrechtlich betrachtet hat der bundesdeutsche Fiskus den deutschen Außenhandelsunternehmen ein (bedingtes) Schuldversprechen gegeben, unter bestimmten Voraussetzungen die von ihnen erwirtschafteten Transferrubel-Guthaben an sie auszukehren. Diese Schuldversprechen wurden abgegeben, obwohl eine der Grundlagen des Transferrubel-Abrechnungsverfahrens - die Parität von Einfuhren und Ausfuhren - nicht mehr bestand. Der Bund geht weiterhin von einer prinzipiellen Leistungspflicht zur Konvertierung aus. Gegenüber der Bf wurde die Zustimmung zur Konvertierung nur deshalb verweigert, weil die Voraussetzungen für eine Konvertierung nicht erfüllt sind. Die Bf ist durch den Abschluss des Regierungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen folglich nicht enteignet worden, da sich ihre Forderung nicht gegen Polen, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet.

2. Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Bf durch die Verwaltung willkürlich aus dem Kreis der Außenhandelsunternehmen herausgegriffen worden ist oder dass ihr willkürlich die Konvertierung ihrer Transferrubel-Guthaben versagt wurde.

Karlsruhe, den 18. Januar 2005