Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung vom 13. und 14. April 2005 („Europäischer Haftbefehl“)

Pressemitteilung Nr. 20/2005 vom 24. Februar 2005

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 13. und 14. April 2005 die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Beschwerdeführers, der auf Grund eines Europäischen Haftbefehls zur Strafverfolgung an Spanien ausgeliefert werden soll (vgl. Pressemitteilung Nr. 19/2005 vom 23. Februar 2005; Aktenzeichen 2 BvR 2236/04).

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (Bf) besitzt die deutsche und die syrische Staatsangehörigkeit. Er soll zur Strafverfolgung an Spanien ausgeliefert werden und befindet sich seit dem 15. Oktober 2004 in Auslieferungshaft. Gegen ihn besteht ein Europäischer Haftbefehl, den das Amtsgericht Madrid am 16. September 2004 erlassen hat. Danach wird dem Bf vorgeworfen, eine Schlüsselfigur im europäischen Teil des Terrornetzwerkes Al-Qaida zu sein, die das Netzwerk im Bereich der Finanzen und der persönlichen Kontaktpflege zwischen ihren Mitgliedern unterstütze.

Dem Verfahren gegen den Bf liegt ein in Spanien ausgestellter internationaler Haftbefehl vom 19. September 2003 zugrunde. Darin wurde dem Bf die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Im Hinblick auf seine deutsche Staatsangehörigkeit kam aber zunächst eine Auslieferung des Bf nicht in Betracht und wurde von den deutschen Behörden abgelehnt. Am 23. August 2004 trat das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 21. Juli 2004 in Kraft. Es setzt den Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in deutsches Recht um. Daraufhin wurde das Auslieferungsverfahren von Amts wegen wieder aufgenommen. Mit Beschluss vom 23. November 2004 erklärte das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg die Auslieferung des Bf für zulässig. Die Justizbehörde bewilligte am 24. November 2004 die Auslieferung verbunden mit der Bedingung, dass dem Bf im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe angeboten wird, ihn für die Vollstreckung nach Deutschland zurückzuüberstellen.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 24. November 2004 eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der die Übergabe des Bf bis zur Entscheidung über die Vb, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt worden ist (vgl. Pressemitteilung Nr. 107/2004 vom 1. Dezember 2004). Den Antrag des Bf auf Entlassung aus der Auslieferungshaft hat das OLG mit Beschluss vom 29. November 2004 abgelehnt.

Vortrag des Bf:

Mit der Vb wendet sich der Bf gegen den Beschluss des OLG, mit dem seine Auslieferung für zulässig erklärt wurde, sowie gegen die Bewilligungsentscheidung der Justizbehörde. Er rügt unter anderem die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 16 Abs. 2 GG (Auslieferungsverbot), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) und aus Art. 103 Abs. 2 GG (Rückwirkungsverbot). Es fehle sowohl dem deutschen Europäischen Haftbefehlsgesetz als auch dem Rahmenbeschluss des Rates an der demokratischen Legitimation. Das Parlament habe nicht darüber entscheiden können, dass deutsche Bürger für Verhaltensweisen mit Kriminalstrafe belegt werden, die nach deutschem Recht straflos sind. Damit seien rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gewahrt. Darüber hinaus kollidiere der Verzicht der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit mit dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG. Die entsprechende Regelung im Europäischen Haftbefehlsgesetz könne deshalb nur für Fälle gelten, in denen der Bürger Gelegenheit gehabt habe, sich darauf einzurichten, dass ihn die Straflosigkeit seines Verhaltens in Deutschland im europäischen Rechtsraum nicht schützen werde. Auch die Bewilligungsentscheidung der Justizbehörde sei verfassungsrechtlich zu beanstanden. Die im Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) ausdrücklich festgestellte Nichtanfechtbarkeit der Bewilligung verstoße gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.

Karlsruhe, den 24. Februar 2005