Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsbeschwerde wegen Berücksichtigung eines Abschlags bei der Strafzumessung statt in der Strafvollstreckung erfolglos

Pressemitteilung Nr. 41/2009 vom 16. April 2009

Beschluss vom 10. März 2009
2 BvR 49/09

Der Beschwerdeführer wurde vom Landgericht Mannheim wegen verschiedener Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Bei Berechnung der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren wurde u.a. eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten strafmildernd berücksichtigt und ein Abschlag auf die Strafzumessung von 20 % sowohl auf alle Einzelstrafen als auch auf die Gesamtstrafe gewährt. Die vom Beschwerdeführer erhobene Revision verwarf der Bundesgerichtshof als unbegründet.

Die vom Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde hat die 2. Kammer des Zweiten Senats nicht zur Entscheidung angenommen. Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer durch die von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verfahrensverzögerung bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren beeinträchtigt; denn diese ist bei der Strafzumessung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt worden. Er ist insbesondere nicht dadurch in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 GG) verletzt, dass die Verfahrensverzögerung bei der Strafzumessung im Urteil und nicht durch einen Abschlag bei der Vollstreckung der verhängten Strafe kompensiert wurde. Auch wenn der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2008, 860) entschieden hat, dass Verfahrensverzögerungen künftig nicht mehr wie bisher bei der Strafzumessung, sondern bei der Vollstreckung der Strafe zu berücksichtigen sind, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn in Übergangsfällen noch - wie bisher - die Strafzumessungslösung angewendet wird. Insbesondere in diesem Fall, in dem das erstinstanzliche Urteil vor der o.g. Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs erging und das im Übrigen auch keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler enthält, muss das erstinstanzliche Urteil nicht allein deshalb aufgehoben werden, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht dadurch seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, dass der 1. Strafsenat es unterlassen hat, dem Großen Senat für Strafsachen diese Sache zur Entscheidung vorzulegen. Auch wenn der 3. Strafsenat (BGH NStZ-RR 2008, S. 168) in einem anderen "Übergangsfall" den Strafausspruch aufgehoben und statt der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet hat, beruht die Entscheidung des 1. Senats insoweit nicht auf einer abweichenden Rechtsansicht. Bei der Kompensation ist auch in Übergangsfällen der konkrete Einzelfall zu bewerten. Im vorliegenden Fall hatte das Ausgangsgericht bereits in der ersten Instanz einen so hohen Ausgleich bei der Berechnung der Einzel- und Gesamtstrafe gewährt, dass der 1. Strafsenat zu Recht davon ausging, dass die Anwendung der Vollstreckungslösung statt der Strafzumessungslösung im Ergebnis sogar zu einer Verschlechterung des Beschwerdeführers geführt hätte.